Hiermit startet eine neue Artikel-Reihe, die “Console Reviews” in denen ich einige Audio-Konsolen bzw. Mischpulte kurz vorstellen bzw. mein Feedback dazu geben.
Hierbei geht es weniger darum das Datenblatt des Herstellers zu kopieren als vielmehr darum einen Praxisbericht zu geben der spezielle Merkmale, Stärken und Schwächen hervorhebt. Dabei bleiben sicherlich einige Funktionen auf der Strecke.
Das MIDAS PRO1
Kürzlich habe ich für einen Job ein möglichst leistungsfähiges und dennoch sehr kompaktes Pult gesucht. Die Kanalanzahl war zweitrangig, viel wichtiger ein gutes Processing und wenn möglich Multiband-Kompression bzw. dynamische EQs. Nach einigem Hin und Her kam ich auf das PRO 1 von MIDAS und habe dann innerhalb einer Woche gleich zwei Veranstaltungen darauf gemischt.
Seltsames Aussehen, aber gutes Display
Das erste was einem Auffällt ist einfach das etwas ungewohnte Design. Alles sieht etwas “alt” und “retro” aus. In diesem Sinne ist das Pult nicht “hübsch,” dafür aber von der Haptik durchaus hochwertig und vor allem gut lesbar. Das Display ist auch unter starker Sonneneinstrahlung zu verwenden und eignet sich somit gut für OpenAir Jobs. Die VCA/Pop-Buttons mit integrierter Beschriftung sind zwar noch gut leserlich, allerdings sind die Farben bei Sonnenlicht nicht mehr erkennbar. Das ist aber zu verkraften.
Umdenken! Anderes Bedienkonzept
Wer andere Pulte gewohnt ist (ziemlich egal welches!) wird hier umdenken müssen! Dieses Pult macht einige Dinge anders, nicht zwingend besser oder schlechter, einfach anders! Das beginnt zB. damit, dass es keinen Touchscreen hat (was nicht sooo ungewöhnlich ist) sondern mit einer “Trackball Maus” daherkommt. Ich weiß nicht wie oft ich anfangs auf den Bildschirm “tappen” wollte. Der Umgang mit einer solchen Maus war mir zudem nicht so geläufig, gelang aber problemlos.
Wo die meisten Pulte in “Layern/Ebenen” arbeiten, verwendet MIDAS Gruppen. Was anfangs etwas verwirrend scheint, ist in der Praxis erstaunlich sinnvoll. Statt die Layer A, B, C oder “Inputs 1–16, 17–32, 33–48” umzuschalten muss man alle Inputs in 8er Blöcken mit Pfeiltasten nach links und rechts „umblättern.“ So findet man natürlich nicht sonderlich schnell einen Kanal. Deshalb stehen einem 8 VCAs und 6 POP Gruppen (POP = Population) zur Verfügung die man mit beliebig vielen Kanälen füllen kann. Hier entfaltet das Pult dann seine Stärken. Wählt man eine dieser Gruppen an, erscheinen links davon die dazugehörigen Kanäle. Durch die Verwendung von Farben und dem Zusammenlegen von Stereo Kanälen erreicht man noch mehr Übersichtlichkeit. VCAs agieren wie in anderen Pulten als VCAs, haben also einen Fader und lassen sich somit in der Lautstärke regeln. POP-Gruppen sind nur Ansammlungen von Kanälen die nicht gemeinsam regelbar sind.
Praktische Features bei VCAs und POP-Gruppen
Für Monitoring interessant: Normalerweise beziehen sich VCAs immer nur auf die Haupt-Mischung. So ist es auch Standard bei den MIDAS Konsolen. Über eine extra Option kann man allerdings die VCAs auch für einzelne Monitor-Mischungen nutzen. Somit ist es dann ein leichtes in einem Monitormix kurz das “ganze Schlagzeug” lauter zu machen.
POP-Gruppen lassen sich statisch fest definieren, aber auch synamisch in Szenen programmieren. So kann man zB. für jeden Song POP-Gruppen wie “Intro,” “Vers,” “Refrain,” “Bridge,” und “Outro” anlegen und darin die für diesen Part wichtigen Instrumente unterbringen. Gerade bei großen Bands mit aufwändigen Instrumentalisierungen oder auch bei großen Theater-Szenen kann das hilfreich sein.
Custom Controls
Die 8 Potis über den Fadern lassen sich beim PRO1 sehr variabel mit Funktionen belegen. Das geht soweit, dass man zB. den Effekt-Send eines spezifischen Kanals (zB. den Delay-Send der Lead-Stimme) auf einem Poti immer griffbereit hat und somit solche “Special Effects” sehr bequem steuern kann. Natürlich kann man sich auch die Effekt/Aux/Matrix-Master auf einen dieser Fader legen, spezifische HPFs oder sogar Frequenzen eines EQ-Bands eines spezifischen Kanals. Das könnte zB. bei Redner-Mikrofonen nützlich sein, die viel herumgereicht werden und bei denen man zB. ein spezielles EQ-Band in der Frequenz der aktuellen Person anpassen will oder aber zB. als Effekt, indem man beispielsweise in einer Bridge mit einem HPF oder LPF das Schlagzeug seiner hohen oder tiefen Frequenzen beraubt und diese langsam wieder „einfaded.“ Die Möglichkeiten dieser Cutom Controls sind sehr vielfältig!
Der Klang
Selbst beim simplen Abspielen von Musik meint man einen Unterschied zu hören. Dieses Pult klingt unglaublich warm und klar. Verwendet man dann den EQ ist man erstaunt wie musikalisch angenehm er klingt und man wird stark dazu verleitet öfter mal ein paar Boosts zu machen anstatt nur zu cutten. In Worten lässt sich so etwas leider immer schwer beschreiben. Ich war anfangs skeptisch was den “Klang” eines Pultes angeht. Mittlerweile muss ich zugeben, dass tatsächlich jedes Pult seinen eigenen Klang hat, angefangen bei den Preamps bis hin zu den Kompressoren und EQs, aber oft sind die Unterschiede eher maginal und schwer differenziert zu hören. Im Falle der MIDAS Konsole fand ich persönlich den Unterschied sehr deutlich hörbar. Ob das auch damit zu tun hat, dass das Pult mit 96kHz statt den üblichen 48kHz arbeitet kann ich nicht beurteilen.
Ich habe eine Veranstaltung in einer mir sehr bekannten Halle gemischt und war wirklich wie weggeblasen von der schönen transparenz bei Stimmen und dem warmen Bässen des Schlagzeugs. Wirklich beeindruckend!
“Analog digitale Preamps”
Etwas ganz besonderes an den MIDAS Pulten sind ihre Preamps. Diese verhalten sich nämlich ähnlich analogen Preamps: Sie verändern ihren Klang wenn sie übersteuert werden. Wie viele Konsolen bietet MIDAS einmal einen PreAmp-Control und einen digitalen Trim. Bei den meisten Konsolen verwendet man diesen faktisch eigentlich nur bei vernetzten Monitor/FOH-Pulten, bei denen einer die Herrschaft (Master) über die Gains hat und der andere (Slave) nur noch einen Trim kontrollieren kann.
Anders bei der PRO1: Hier kann man den PreAmp nach belieben auch etwas heißer mit mehr Druck anfahren und erhält eine schöne Klangverfärbung. Besonders beim Schlagzeug hat mir diese sehr gefallen, bei Stimmen, allerdings hatte ich nicht genug Zeit im mich intensiver damit zu beschäftigen. Über den Trim kann man anschließend, nachdem man das Signal quasi “klanglich” eingepegelt hat, wieder sein Gain-Staging der Konsole einstellen und entsprechend etwas hoch/runter pegeln.
Kompressor und Gate-Emulationen
Man kann wahlweise zwischen 3 Gates (gate, transient gate, ducker) und 5 Kompressoren (corrective, adaptive, creative, vintage, shimmer) wechseln. Jede Emulation hat eigene Klangeigenschaften. Ich hatte leider nicht all zu viel Zeit, habe aber zB. den adaptive-Kompressor am Schlagzeug lieben gelernt. Hier lohnt es sich gewiss noch etwas mehr Zeit zu investieren um die unterschiedlichen Klangcharakteristiken zu erforschen.
Programmierbar bis ins Details
Die MIDAS Konsole eignet sich unglaublich gut um programmiert zu werden und ist, würde ich behaupten, sogar dazu ausgelegt. Das fängt schon damit an, dass man zwingend ein Showfile anlegen muss und entsprechend zumindest einen Cue speichern muss, um überhaupt irgendwie sein Setting zu sichern.
Beim Schreiben von Cues hat man nun die volle Kontrolle: Man hat einen Store- und Recall-Scope mit dem man die Parameter (auch Kanal- und Funktionsselektiv) filtern kann. Zudem hat jeder Kanal separat nochmal physische Recall-Safe-Knöpfe für diverse Parameter wie EQ, Gain, Kompression usw.
Ordentliche Effekte nach etwas Tweaking
Die Effekte (bis zu 6 Stück) klingen ordentlich, brauchen aber etwas Tuning. Es stehen mehrere Reverbs und Delays zur Verügung. Ganz cool: Manche Effekt-Plugins lassen sich splitten: Man hat also in einem “Slot” zwei separat kontrollierbare Delays oder so. Das gibt viel Freiraum für Experimente für die man sonst keinen ganzen Effekt-Slot investiert hätte. Theoretisch könnte man also zB. in den 6 Effekt-Slots 12 Delays unterbringen, auch wenn man das praktisch wohl kaum will ;-)
Geballte Power mit Plugins
In diesem Pult steckt viel Power! Neben all den Kompressor-Emulationen usw. kann man bis zu 6 Plugins verwenden. Diese sind aber nicht zwingend nur für einen Kanal ausgelegt. Der dynamische EQ mit 4 Bändern kann zB. entweder auf einem Kanal (4 Bänder), für 2 verschiedene Kanäle (à 2 Filter) oder für 4 Kanäle mit noch einem Filter pro Kanal (zB. als De-esser) verwendet werden. Ähnlich ist es mit vielen der Plugins.
Erwähnenswert sind hier als Plugins vor allem der Multiband-Kompressor, der dynamische EQ und die Tape Saturation (toll auf einer Drum-Gruppe!) und der Frequenz-Analyzer.
Gute iPad App
Die iPad App “Mixtender 2” ist sehr übersichtlich und hat erstaunlich viele Funktionen. Nahezu jede Einstellung lässt sich hier finden und manipulieren. Die Bedienung ist intuitiv und die Einrichtung einfach. Mit einem Router hat man das System in wenigen Minuten zum laufen gebracht. Auch der Betrieb mit mehreren iPads funktioniert einwandfrei. Ich habe bei einem Konzert über das iPad meinen InEar-Mix live gemischt, was ebenfalls ohne Probleme zu bewerkstelligen war! Auch zum Einstellen der PA, von Monitor-EQs und Monitor-Mischungen ist das iPad eine große Hilfe.
Einige störende Schwächen
Trotz viel Lob habe ich ein paar Kritikpunkte. Und damit meine ich hier bewusst nicht die teils manchmal umständliche Bedienung. Das sind Dinge an die man sich gewöhnen muss und die sehr subjektiv sind.
Nur GEQ ODER PEQ am Ausgang
Das Pult beinhaltet einige GEQs die man Bussen zuweisen kann. Leider hat man hier nur die Möglichkeit entweder den grafischen EQ oder den parametrischen EQ zu werden. Ich persönlich hätte gerne, wie bei anderen Pulten, beides. Eigentlich sollte das auch kein Problem sein denke ich. Vielleicht habe ich hier auch einfach nur eine Einstellung übersehen.
Aux-Sends nur über Faderflip
Die Monitormischung (oder Aux-Mischung für Effekte) läuft immer über einen Faderflip/Sends-on-Fader (oder mit der Maus pro Kanal). Das ist speziell bei Effekten echt nervig, da man für einen Moment die Kontrolle über den Main-Mix verliert.
Da die PRO1 keine Potis für die einzelnen Busse hat (ab der PRO2 vorhanden!) lässt sich logischer Weise hier nicht über Potis mischen. Eine gute Alternative wäre aber die Monitor-Level nicht auf die Fader, sondern wahlweise auf die über den Fadern positionierten Potis zu legen. So ähnlich ist das zB. beim iLive von Allen & Heath möglich. Speziell für Effekt-Sends wäre das sicher sehr praktisch.
Fazit
Das PRO1 ist eine unglaublich mächtige Konsole. Ich persönlich mag sie! Da MIDAS hier konsequent eigene Bedienkonzepte umsetzt braucht man zwingend etwas Einarbeitungszeit und muss sich etwas für neue Ansätze öffnen. Hat man das einmal gemacht ist das Pult sehr schnell und effektiv zu bedienen. Wer ein einfach zu bedienendes Pult sucht um möglichst schnell eine akzeptable Mischung zu erhalten ist hier sicher mit anderen Konsolen besser bedient. Wer mit einer kleinen Konsole einen möglichst hochwertigen und ausgereiften Klang erzielen will wird in diesem Größen- und Preissegment kaum eine bessere Wahl finden. Mit zahlreichen Plugins, verschiedenen Kompressor/Gate-Emulationen, den MIDAs PreAmps usw. erhält man einen prall gefüllten, absolut hochwertigen Werkzeugkasten der sonst deutlich teureren Pulten vorbehalten ist.
Seit dem letzten Software Update (Version 3.2) gibt es nun DeEsser, als auch Multiband Distortion, Smart Dynamics und viel mehr als Plugins. Außerdem lassen sich nun endlich die Kanäle in VCA und POP-Gruppen variabel ordnen. Das war bisher mein größer Kritikpunkt für dieses Pult. Schön zu sehen, dass hier stetig weiterentwickelt wird.
Stärken
- Super schöner, warmer Sound
- Flexibilität durch VCA’s und POP-Gruppen
- Relative viele Effekte
- Plugins wie Dynamic EQ / Multiband Kompressor
- Verschiedene Gate/Kompressor-Emulationen
- Gute Visualisierung (außer EQ in der Übersicht)
- VCA’s für Monitorwege
- Custom Controls Potis erlauben spezielle Parameter immer Griffbereit zu haben
- 6 bändiger PEQ auf Outputs
- Viele Patching-Möglichkeiten, wenn auch manchmal etwas kompliziert
- Unglaublich detaillierte Einstellungsmöglichkeiten pro Kanal
- Guter Offline-Editor der auch auf dem Mac läuft
- 96 kHz
Schwächen
- Anderes Bedienkonzept: Einarbeitung notwendig
- Keine Kanalanordnung in VCA’s und POP-Gruppen (Behoben durch Update!)
- keine Anzeige des EQs (grafisch) in der Übersicht
- Aux-Mischung nur über Faderflip oder Maus (nicht über Potis) – (ist im PRO2 aufwärts besser gelöst)
- Statische Bus-Struktur (16 Aux, 8 Matrix)
- Bedienung der Plugins kompliziert teilweise
- durch nur 8 Fader bei großer Kanalanzahl ev. unübersichtlich (hier eignet sich ein PRO2/3/6/9 besser).
- parametrischer EQ ODER GEQ auf Ausgängen
- Kein Offline-Editor für Windows/Linux
- Kein DeEsser im Channelstrip (Über Plugin durch Update möglich!)
Habt ihr Erfahrungen mit diesem (oder einem anderen MIDAS-)Pult? Wenn ja: Wie fällt eure Kritik aus? Was war gut, was schlecht?